Umquartierung

Umquartierung nach Admont

Wenn man mit Absolventen spricht, die in den letzten Kriegsjahren Schüler des Oeverseegymnasiums (damals Oberschule für Jungen) waren, kommen sie unweigerlich auf die Admonter Zeit zu sprechen. Im Folgenden einige markante Berichte in gekürzter Form.

Dr. Erich Krautsdorfer (MJ. 1948):


Da in den Jahren 1943 und Anfang 1944 die Bombenangriffe immer häufiger wurden und unsere Schule durch ihre Nähe zur Eisenbahn höchst gefährdet war, wurden die 1. bis 6. Klassen am 15. Februar 1944 nach Admont verlegt, und zwar in zwei requirierte Hotels. Unterricht war teils in den Speisesälen, teils im Stift Admont oder aber auch im Freien, wenn’s schön war.
Die Schüler waren zu fünft oder zu sechst in „Stuben“ untergebracht, mit Stockbetten, die Stuben hatten Namen wie „Narvik“, „Skagerrak“, „Hindenburg “ etc.

Die Admonter Zeit blieb einigen Schülern nicht in allerbester Erinnerung, schon deshalb, weil nationalsozialistischer Drill in allen Lebenslagen angesagt war! Gröbere Strafsanktionen waren keine Seltenheit und führten zum dreimaligen Umrobben (auf Ellbogen und Knien) der Sandbahn auf dem Sportplatz (auch um 3 Uhr früh!). Immer wieder gab es Prüfungen auf der Straße, wenn man gerade auf einem Spaziergang durch den Ort war. Der Biologielehrer tat’s besonders gern. Unser Lateinlehrer [Karl Tertnik], ein älterer Mann aus Cilli mit slowenischem Akzent, verzichtete allerdings auf den Hitlergruß zu Beginn der Stunde und ließ uns einfach verschiedene Formen konjugieren oder deklinieren. Das half später ungemein.

Dipl.-Ing. Anton Stauffer (MJ. 1953):


„Der Schulbetrieb war natürlich, wie so vieles in dieser Zeit, ein Provisorium. Der Speisesaal musste täglich zum Klassenzimmer um- und wieder zurückgebaut werden.
Dazu kam die in dieser Zeit sehr geförderte Hackordnung, die gerade ich als Jüngster der Schule besonders gut kennen lernen durfte. Allen gemeinsam war die Sorge um die Eltern, ob sie wohl hoffentlich die letzten Bombenangriffe überlebt haben, und das ständig quälende Heimweh, das wohl tapfer unterdrückt wurde, aber beim Abschied am Bahnhof nach den seltenen Besuchen der Eltern umso heftiger zum Ausbruch kam.“

Über den Schulalltag schreibt Dr. Erich Schellander (MJ. 1948) im Admonter Lesebuch:


Eine willkommene Abwechslung brachten Fußballspiele zwischen dem Oeverseegymnasium und der im Stift Admont etablierten Oberschule. Auch gegen eine Wehrmachtsmannschaft konnten wir meistens gewinnen. Die Wiederaufforstung von Waldböden im Gesäusegebiet wurde von den Schülern gerne durchgeführt. Geländespiele und diverse Leichtathletikveranstaltungen haben zur körperlichen Ertüchtigung beigetragen. Vom 16.10.1944 bis zum 21.11.1944 wurden die älteren Jungen zum sogenannten „Stellungsbau“ nach Strem bei Güssing einberufen, wo der „Ostwall“ mit Panzer- und Schützengräben die Rote Armee aufhalten sollte.

Ergänzend dazu Dr. Krautsdorfer:


Eine allerdings anstrengende und mit Krankheitsfolgen verbundene Abwechslung brachte den damals 15-Jährigen in der 5. Klasse die Einberufung zum „Stellungsbau“ nach Strem (im Südburgenland).
Wir, die 5. Klasse, bestehend aus 35 Schülern, waren mit etwa 500 Liezener Bauernbuben und Lehrlingen in Strem in einem zweigeschoßigen Heustadl untergebracht, auf Stroh und Pferdedecken liegend. In den viereinhalb Wochen mussten wir einen Panzergraben und mehrere Längen Schützengräben (1.60 Meter tief und 80 cm breit) ausheben, der Panzergraben war etwas mehr als 5 Meter tief und ca. 8 Meter breit.
Genützt hat die ganze Arbeit nichts, denn im April 1945 vergaß man, die Straßenbrücke über die Strem zu sprengen. Viele unter uns kehrten im November mit Paratyphus, Ruhr und Scharlach heim, einige davon blieben dann ganz in Graz. Die Klasse, in verkleinerter Zahl, kehrte nach einer kurzen Rastpause bei den Eltern wieder nach Admont zurück.

Aus einer etwas anderen Perspektive erlebte Hofrat Herbert Weiß (MJ. 1946) diese Zeit:


Im Sommer 1943 wurden die Jahrgänge 1925, 1926 und 1927 als Luftwaffenhelfer eingezogen. H. Weiß mit 16 Jahren nach Linz. Ohne besondere Vorbereitung wurden die Eingezogenen einzelnen FLAK-Stellungen zugewiesen.
Wieder in Graz trat H. Weiß verspätet in die 6. Klasse ein, wobei feststand, dass er im Frühjahr 1944 einrücken würde. Die Lage in Graz verschärfte sich. Es gab jede Nacht eine Brandwache durch Schüler – 14-Jährige und älter -, und schließlich wurde die Unterstufe des Oeverseegymnasiums (später auch die 5. Klasse). Im Rahmen der KLV (Kinderlandverschickung) nach Admont evakuiert. Die anderen Klassen wurden auf andere Schulen aufgeteilt. H. Weiß kam als Kriegsdienstverpflichteter mit Leopold Rudoletzky, Karl Trummer und Walter Moik als Jugendleiter nach Admont. Dieser Einsatz bedeutete, dass man weder zum Arbeitsdienst (RAD) noch zur Wehrmacht eingezogen wurde.
Die Kriegsdienstverpflichteten trugen die HJ-Uniform und als Leiter war man im Rang einem Fähnleinführer bzw. Gefolgschaftsführer gleichgestellt.
Die älteren Oeverseeschüler waren im Gasthof Post (Weiß) und die jüngeren im Gasthof Sulzer (Moik) einquartiert.
Lager-Mannschaftsführer waren bis Kriegsende Außenstehende, z.B. ehemalige Wehrmachtsangehörige wie jener Kriegsversehrte (Arm amputiert) namens Mitterböck, der ein strenges Regiment führte. (Nach dem Krieg wurde Mitterböck wegen seines Verhaltens beim „Judenmarsch“ – von Ungarn über das Burgenland, Eisenerz – zum Tod verurteilt.)
Moik ist am Ende des Krieges bei einer Bergtour mit Prof. Mayer (der bei Kriegsende in die Heimat zurückgekehrt war) abgestürzt und tödlich verunglückt. Beide fanden ihre letzte Ruhestätte im Friedhof von Admont.
Das Ennstal war ein Durchzugsgebiet, eine große Zahl von Menschen kam aus dem Wiener Raum. Fahrzeuge blieben liegen, da das Benzin ausging, manche kamen zu Pferd. H. Weiß musste ein Fahrrad hergeben, als ihm ein Soldat eine Pistole vorhielt.
Vor dem Näherrücken der Russen empfahl Direktor Petrischek den Älteren und auch den Kriegsdienstverpflichteten, über die Enns zu gehen, wo eine verlassene Baracke bezogen wurde. Man konnte aber einige Zeit die Enns ungehindert überqueren, als die jungen Leute aber wieder nach Admont zurückkehrten, wurde die Grenze geschlossen und blieb jahrelang als Zonengrenze unpassierbar.
Petrischek hielt sich weitgehend neutral und vermied politische Äußerungen. Er setzte sich für seine Schüler ein, zum Beispiel half er bei der Beseitigung von Waffen, die die Schüler unbedachterweise gesammelt und auch benützt hatten (haben z. B. mit der Panzerfaust auf einen Baum geschossen), die aber eine große Gefahr bedeuteten, wenn sie von den Russen entdeckt worden wären, daher wurde ein ganzer großer Sack von ihm und H. Weiß durch eine Hintertür mitten in der Nacht aus dem Haus geschafft und in der Au „entsorgt“.
Die Schüler wurden mehrere Wochen lang von den Russen als Arbeitskräfte eingesetzt, da ein großes Heeresnebenzeugamt geräumt und zum Abtransport nach Osten zusammengestellt wurde. Das bedeutete, dass man wenigstens ausreichend Lebensmittel hatte (Schmalzdosen, allerdings ohne Brot ins Lager geschmuggelt). Auch andere Güter, wie Kleidung, waren vorhanden.
Der Unterricht wurde bis Mai 1945 lehrplanmäßig abgehalten, wodurch das Schuljahr 1944/45 nicht verloren war. (Allerdings wurde das Unterrichtsjahr erst im Spätherbst beendet, so dass das folgende Schuljahr stark verkürzt war.) Die noch in Admont verbliebenen Schüler kehrten teils per Zug, teils zu Fuß und teils per Anhalter nach Graz zurück. Auch Dipl.-Ing. Anton Stauffer, Mj. 1953 erinnert sich: Mit Kriegsende 1945 wurden wir zu Fuß von Admont entlassen, wo wir dann durch die vorderste Front der Russen mussten und meist in irgendwelchen Flüchtlingskolonnen mitwandernd nach vier Tagen Graz erreichten.

Mag. Josef Saringer

Von Gerhard R. Krebl (MJ. 1945) erreichte uns kürzlich folgende Anmerkung zur Schulgeschichte:


1944 konnten nur wenige Schüler der 6. bis 8. Klassen einer anderen Oberschule angegliedert werden. Der Großteil meines Jahrganges (Maturajahrgang 1945) wurde bereits im Sommer 1943 als „Erntehelfer“ ins Mürztal eingezogen, wobei wir alles mögliche arbeiten mussten, aber kaum bei einer Ernte. Im Herbst wurden wir dann nach Linz als Luftwaffenhelfer (LuWaHe) eingezogen und Flak-Batterien bei Ebelsberg zugeteilt.
Theoretisch waren wir keine Soldaten, sondern Schüler und erhielten in allen Hauptfächern denselben Unterricht, wie es der Schulplan vorgesehen hätte. Dazu kamen jeden Tag Professoren aus Linz. Zum Teil waren dies ältere „Zivilisten“, zum Teil dafür frei gestellte Offiziere.
Im Herbst 1944 wurden wir als LuWaHe entlassen, dafür aber sofort zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Je nach Geburtsdatum verringerte sich laufend die Zahl meiner Klassenkollegen. Anfang 1945 wurden dann alle irgendwohin eingezogen, so dass die „Matura 1945“ natürlich ein Phantom ist. Bei der Entlassung wurde uns jedoch ein staatliches Zeugnis (DIN A5 ) über eine „Kriegsmatura“ übergeben.
Nach Kriegsende musste dann ein „Überbrückungskurs“ in den Hauptfächern besucht und eine Prüfung vor einer Kommission abgelegt werden . Die meisten von uns hatten bereits 1-2 Semester Uni hinter sich, benötigten aber dieses nachträgliche Maturazeugnis für die Inskription.